Gedanken zum Gegensatz zwischen privaten und Gemeinschaftsräumen

Sprachen

Ich habe ungefähr vier Jahre in einer Wohn-/Lebensgemeinschaft gelebt, in einem Haus mit drei Stockwerken und ungefähr zwanzig Leuten. Wir hatten zu dritt bzw. wochenends zu viert zwei miteinander verbundene Zimmer (die Mädels waren noch recht klein, und nachdem Mio auf die Welt kam, sind wir umgezogen). Ich habe SO viel gelernt in dieser Zeit! Zum Beispiel, dass ich liebend gerne mit anderen zusammenlebe – ich weiß noch, wie ich ständig allen Leuten erzählte, dass ich nie wieder in einem Haus mit weniger als zehn anderen Leuten wohnen wollte. Und das war tief empfunden.

Bis wir allerdings auszogen, war ich tatsächlich gewillt, alleine mit drei Kindern in eine kantige Wohnung im fünften Stock eines Betonklotzes zu ziehen, nur um da rauszukommen (und die folgenden sechs Monate waren vermutlich die schrecklichsten meines Lebens). Es ist etwas schwierig, dafür einen einzelnen Grund auszumachen, denn da hingen eine Reihe von Faktoren zusammen. Aber einer davon war definitiv wichtig und beschäftigt mich seitdem immer wieder.

ich auf einem der Balkone, skeptisch

Meine größte Erfahrung mit gemeinschaftlichem Leben

Wir wohnten also in einem alten, großen Haus mit hohen Decken und geräumigen Zimmern. Klingt fantastisch? Definitiv. Unsere beiden Zimmer waren mittelgroß mit je ca. 15 qm, die größten hatten etwa 22 qm. Aber nach zwei Jahren oder so wurde mir bewusst, dass das eigentlich eher ein Nachteil war. Denn die Gemeinschaftsräume, hauptsächlich zwei Küchen im ersten und dritten Stock, das Wohnzimmer im zweiten Stock, die drei Flure, die jeweils hinführten, sowie drei Balkone, die davon abgingen, hatten jeweils etwa die Größe eines Zimmers (die Flure waren etwas größer, aber länglich).

Nachdem ich Eine Muster-Sprache gelesen hatte, das sich an mehreren Stellen mit dem Gleichgewicht zwischen privaten und Gemeinschaftsräumen beschäftigt, sah ich meine Umgebung mit neuen Augen, und mir fiel auf, dass ich viel mehr Zeit in meinen eigenen Zimmer verbrachte als in allen Gemeinschaftsräumen zusammengenommen. Teils lag das daran, dass ich an ihnen nichts fand:

Unattraktive Gemeinschaftsräume

  • Wohnzimmer und Balkone waren Raucherzimmer, da ging ich also vor allem im Winter schonmal so gut wie nie hin.
  • Die Küchen waren nicht besonders gemütlich und wenig einladend und obendrein ständig aufräumbedürftig.
  • Und die Flure hatten eine ungeschickte Form: recht groß, aber doch nicht wirklich breit genug für Sofas, oft vollgestellt mit Gerümpel, und irgendwie trist.

Zu attraktive eigene Zimmer

Andererseits aber, und jetzt fällt mir das wirklich stark auf, waren unsere eigenen Zimmer groß genug für alles, UND ich hatte totale Gestaltungsfreiheit. Die Zimmer waren echt schön! Was bedeutete, dass es keinen wirklichen Grund gab, sie zu verlassen. An vielen Tagen, vor allem gegen Ende unserer Zeit dort, ging ich nur kurz was zu essen einkaufen und verbrachte den Rest des Tages in unseren Zimmern, arbeitete am Rechner oder spielte mit den Kindern oder was auch immer. Oder hatte Besuch von anderen Mitbewohnerinnen (wie absurd ist das denn eigentlich). Und sehr vieles davon hätte absolut in einem gemütlichen Gemeinschaftsraum stattfinden können, in Gesellschaft meiner größtenteils durchaus netten und interessanten Mitbewohner/innen, und das hätte mir auch gut gefallen. Aber es gab keinen ansprechenden, passenden Gemeinschaftsraum für diese Zwecke, und so bastelte ich mir halt meine eigenen Zimmer zurecht.

Ich bin sicher, dass gutes Raumdesign nicht das Einzige ist, was für eine funktionierende, glückliche Lebensgemeinschaft wichtig ist, aber ich bin mindestens genauso sicher, dass es ohne nicht geht. Es ist ja so schon schwierig genug, in unserer Kultur und Gesellschaft diese Fixierung auf Individualismus und, direkt gesagt, egoistischer Einsamkeit aus dem eigenen System herauszukriegen.

Dinge, die meiner absoluten Überzeugung nach jede Lebensgemeinschaft braucht

  • angemessen große, gemütliche, willkommenheißende Gemeinschaftsräume, vor allem Küche und Wohnzimmer (Wohnküche!)
  • ziemlich kleine eigene Zimmer: gerade groß genug, um darin zu schlafen und ein bisschen Platz für Privates zu haben, nicht mehr
  • Mini-Privatecken in den Gemeinschaftsräumen wo nötig, z.B. Regale oder Kisten im Bad und in der Werkstatt

Wozu brauche ich ein eigenes Zimmer?

Mal ehrlich, das ist eine interessante Frage. Woher weiß ich, wieviel Platz ich für was benötige? Damit beschäftige ich mich schon eine ganze Weile, und ich glaube, jetzt hab ich's raus. Juhu! Ich habe die Frage so rum gestellt, weil ich ja Gemeinschaft will, also ist das der Standard. Jeder Raum ist erstmal und grundsätzlich ein Gemeinschaftsraum. Also wozu brauche ich Privatfläche, und wieviel?

Aktivitäten aufzählen & auswerten

Ich entwarf eine Liste von Aktivitäten, mit denen ich meinen Alltag fülle (oder in Zukunft füllen will). So Sachen wie kochen und essen, natürlich, basteln und werken, Internetseiten bauen, im Garten arbeiten, etc. etc. Dann markierte ich jeden Punkt auf der Liste mit drei Kennzeichen:

  1. wie viel Zeit ich damit etwa verbringen werde (im Durchschnitt),
  2. wie lebenserhaltend die Aktivität ist,
  3. und ob ich sie in Gesellschaft oder alleine tun möchte.

Zwei Beispiele zur Veranschaulichung: kochen und essen hat einen hohen Lebenserhaltungswert und einen mittleren bis hohen Zeitwert, und ich möchte das gerne in Gesellschaft tun. An Webseiten arbeiten wiederum möchte ich in Zukunft ein bisschen weniger, so dass ich damit ein paar Stunden in der Woche verbringe. Das bekommt also einen mittleren Zeitwert, und einen ziemlich niedrigen Lebenserhaltungswert – denn obwohl es natürlich für einen guten Teil meines Einkommens sorgt, zieht mir längeres Arbeiten am Rechner die Lebensenergie doch eher ab, und ich muss da aufpassen, wenn es mich glücklich und zufrieden machen und nicht nur Zeit vertrödeln soll. Und auch wenn ich alleine an meinen Seiten arbeite, tue ich das gerne in Gesellschaft anderer arbeitender Leute im Zimmer.

Es war höchst interessant, diese Liste zu erstellen, ich kann es als Grundlage für die Gestaltung der eigenen Lebensräume sehr empfehlen! Danach fielen mir außerdem fünf benötigte Arbeitsplätze sofort ins Auge (und auch, dass mir im Moment zwei davon fehlen):

Arbeitsplätze

  • ein Schreibtisch mit dem ganzen Rechnerkram, etwas Regal- und Schubladenplatz und dem Drucker,
  • eine Küche mit Herd, Ofen, Töpfen, Pfannen, Geräten, Werkzeugen und Geschirr,
  • eine Werkstatt mit Türe zum Zumachen, denn da könnte es öfter mal laut und/oder staubig werden, mit viel Platz für alle möglichen Werkzeuge und Materialien und auch für Projekte in Arbeit,
  • ein Gartencenter für all die Gartenwerkzeuge, Saatgut und Material, eventuell mit Arbeitsfläche,
  • eine Meditationsecke für spirituelle Arbeit und Yoga, mit einem kleinen Altar und ein bisschen Platz für Räucherzeug und Tarotkarten.

Das sind die hauptsächlichen Arbeitsplätze, die ich brauche, und nur EINER davon muss privat sein. Alle weiteren benötigten Räume, also Wohnraum, Kinderzimmer, Bad, Stauräume und Eingangsbereich, sind ALLE Gemeinschaftsräume. Von daher ist meine persönliche Antwort: vier Quadratmeter pro Person sollten genügen.

Konzept eines kleinen eigenen Zimmers

Zimmerchen mit vier Quadratmetern

Klingt winzig? Definitiv! Aber schaut euch mal diese Skizze oben an. Stellt euch ein (recht hohes) Zimmer mit ungefähr zwei mal zwei Quadratmetern vor, mit einer Ebene auf ca. zwei Metern Höhe, die über das halbe Zimmer geht. Das ist das Bett (hellere Schraffierung). Darunter passt eine Kommode, und diverse Kleider lassen sich hübsch an der Wand entlang aufhängen (dunklere Schraffierung), und der Rest des Raumes wird gefüllt mit dem, was sowohl ich wichtig als auch privat ist. In meinem Fall wäre das besagte Meditationsecke, aber ich kann mir vorstellen, dass anderen Leuten vielleicht ein eigener Schreibtisch wichtiger wäre. Das Layout ist auch recht flexibel, je nachdem, wo die Fenster sind und wo die Tür hinsoll.

Schränk dich ein

Der Punkt ist, dieser Platz ist begrenzt, so dass man sich entscheiden muss. Außerdem, wenn man nicht wenigstens potentiell die meiste Zeit im Haus mit den eigenen Mitbewohner/innen verbringen möchte, warum sollte man dann in eine Lebensgemeinschaft ziehen? Aber um ehrlich zu sein, ein bisschen muss ich mich an diesen sehr minimalistischen Gedanken auch noch gewöhnen. Bin ja auch kulturell konditioniert. Vielleicht brauchen ein paar Gemeinschaftsräume, z.B. die Werkstatt, so Zustandsschilder, die man umstellen kann auf „ich brauch grad bisschen meine Ruhe, danke dass ihr nicht stört“? Vielleicht ist das aber auch blöd. Naja, wir werden es herausfinden. :-)

Edit 16. Dezember 2015

Ich habe da nochmal eine ganze Runde drüber nachgedacht und einen kleinen Gedankenfehler gefunden. Ich bin bei zwei auf zwei Metern gelandet, weil ich überlegt habe, dass ich fürs Yoga mit beiden Armen komplett ausgestreckt auf dem Boden liegen können sollte, ohne irgendwo anzustoßen. Das geht auf der Fläche schon, auch für Leute, die nicht ganz so klein sind wie ich, ABER es könnte dann mit Kleideraufbewahrung plus Altar oder Ähnlichem doch schwierig werden. Zuerst dachte ich, dann halt 2,50 m auf 2,50 m… aber andererseits habe ich gerade eine Menge Designtipps für winzige Häuser gelesen, und da sind so viele geniale Ideen drin! Um es also kurz zu machen, ich kaue da gedanklich noch drauf rum und muss da mal ein bisschen räumlich experimentieren. Grundsätzlich passt die Idee aber, und auch die Größe stimmt schon ungefähr.

Kommentare?

Bei diesem Thema freue ich mich sehr über eure Gedanken und Ideen! Was könnte jemand für ein Hobby haben, das man im Haus macht, aber das in diesen Entwurf von mir nicht reinpasst? Mir fällt spontan Zocken ein (Playstation oder so), und darüber diskutiere ich bereits intern mit mir. Übersehe ich noch etwas?